Start-up Palästina – palästinensische Wirtschaft stabil machen

Die palästinensische Start-up-Szene kommt immer mehr in Fahrt. Kreativ, ideenreich, risikobereit – so gründen junge Palästinenser Unternehmen. Hierzulande nehmen Unternehmen noch kaum Notiz von den talentierten Gründern – schade, denn diese könnten auch für sie ein Gewinn sein.

 Bei Palästina denkt man zuerst an Krisenregion, israelische Besatzung, Hamas oder an Unsummen von internationalen Hilfszahlungen, die in Projekte und in den aufgeblähten Verwaltungsapparat fließen. Doch wer das Land kennt, weiß, dass sich in den letzten zehn Jahren viel verändert hat. Im Westjordanland und in Gaza werden nämlich fleißig Unternehmen gegründet.

Vor allem im quirligen Ramallah. Dass viele junge Palästinenser ihre Start-ups hier gründen, ist kein Zufall. Die Stadt mit ihrem internationalen Flair und einer guten Infrastruktur zieht schon seit langem Investoren und internationale Konzerne an, wie etwa Google und Cisco. Auch für Gründer gibt es mittlerweile jede Menge Anlaufstellen, also Acceleratoren, Inkubatoren und Mentoren, die gerne weiterhelfen.

Vom Silicon Valley nach Palästina

Peter Abualzolof ist einer dieser Gründer, denen dieses junge, pulsierende Ökosystem auffiel. Der gebürtige Palästinenser gab seinen Job im Silicon Valley auf und kehrte in seine Heimat zurück. In Ramallah gründete er 2015 das Start-up Mashvisor, das Informationen für potentielle Immobilienkäufer analysiert. Sein Mut, etwas Neues auf die Beine zu stellen, wurde schon ein Jahr später belohnt: Mashvisor wurde zum erfolgreichsten Start-up Palästinas gewählt und nimmt nun an einem der weltweit besten und beliebtesten Mentoringprogramme im Silicon Valley teil.

Sein Startkapital bekam Abualzolof übrigens vom Ibtikar Fonds. Das Besondere an diesem Fonds: Darin steckt viel Kapital von einheimischen Geschäftsleuten, privaten Institutionen und von der palästinensischen Diaspora.

Es fließt aber auch sehr viel amerikanisches Kapital nach Palästina. Zum Beispiel in die Risikokapitalfirma Sadara Ventures. Zu diesen Investoren gehören unter anderem die Google Foundation und Cisco.

Das Motto dieser amerikanischen Investoren lautet, „nicht kleckern, sondern klotzen“. Ihr Ziel ist es, Welt-Klasse-Unternehmen zu schaffen. So stecken sie etwa auch hinter dem ebenfalls sehr erfolgreichen Start-up SoukTel, das mit seiner Made-in-Palestine-Technologie Jobsuchende und Arbeitgeber zusammenbringt. Beide Investmentfirmen haben übrigens eines gemein: Sie statten vor allem Technologie-Gründer mit Startkapital aus.

Doch nicht nur in Ramallah gründen Palästinenser und Palästinenserinnen Unternehmen. Gründerzentren, Start-up-Wochenenden, Investoren, Austausch mit Universitäten und Kapitalgebern gibt es auch in anderen Städten des Westjordanlandes. Aber nirgendwo zeigt sich die palästinensische Start-up-Szene so gut entwickelt wie in Ramallah.

Besatzung und Abriegelung als Antrieb für Ideen

Auch im Gazastreifen passiert viel. Gründerzentren wie Gaza Sky Geeks unterstützen junge Leute bei der Suche nach Investoren, Kunden, geeigneten Mitarbeitern und guten Programmierern. Mentoren aus dem Silicon Valley, aus Berlin, aber auch aus anderen Start-up-Metropolen reisen trotz Schwierigkeiten in den abgeriegelten Küstenstreifen, um ihre Hilfe anzubieten. Gemeinsam schmieden sie an ihren Ideen, tüfteln an ihren Techniken, feilen an ihren Präsentationen, um die Investoren zu überzeugen. Auf diese Art und Weise lernten beispielsweise die Gründer der Start-up-Firma Baskalet ihr Handwerkszeug. Heute entwickeln sie erfolgreich Spiele speziell für die arabische Region.

Diese Jungunternehmer sind für Palästina enorm wichtig, weil sie Jobs schaffen, die das ressourcenarme Land dringend braucht. Denn obwohl viele junge Leute gut ausgebildet sind und sogar einen Hochschulabschluss haben, sind sie ohne Jobs. Auch die ausländischen Hilfszahlungen, die seit Jahrzehnten in die Wirtschaft gepumpt werden, haben weder zur wirtschaftlichen Entwicklung noch zur Schaffung von Arbeitsplätzen beigetragen.  Die jungen Palästinenser haben es satt, abhängig zu sein. Deshalb nehmen viele von ihnen ihr Schicksal selbst in die Hand.

Auch wenn sie mit den Herausforderungen der Besatzung und der Abriegelung zu kämpfen haben, geben sie nicht auf. Im Gegenteil. Oft sind die täglichen Probleme wie etwa Stromausfälle oder die eingeschränkte Bewegungsfreiheit sogar ein Anstoß für Ideen und viele brennen darauf, Neues entstehen zu lassen. Mehr noch, diese Menschen sind nicht nur kreativ und innovativ. Sie sind auch im Netz zuhause. Internet und soziale Netzwerke sind für sie selbstverständlich, immer mehr junge Frauen und Männer studieren sogar Informatik.

Palästinensische Start-ups – auch für ausländische Unternehmen ein Gewinn

Allerdings wünschen sie sich auch erfahrene Unternehmen an ihrer Seite, die an sie glauben und helfen, ihre Geschäftsidee voranzubringen. Einige helfen auch bereits. Wie etwa Unternehmen und Experten aus Deutschland, die ihre Zeit für die jungen Gründer und Gründerinnen im Westjordanland und in Gaza gerne investieren. Zum Teil begreifen sich diese als Social Entrepreneurs. Andere wiederum setzen auf eine Zusammenarbeit mit talentierten Gründern, weil sie wissen, dass diese flinker und unkomplizierter an Dinge herangehen, wie etwa an die Entwicklung digitaler Produkte. Oder sie profitieren von neuen Lösungsansätzen, die durch die Versuche und das Experimentieren entstehen. Und natürlich können Unternehmen und Investoren von den palästinensischen Gründern noch etwas lernen: nämlich den Mut zu haben, etwas Neues auszuprobieren, zu scheitern und wieder von vorne anzufangen.

Statt Entwicklungsgelder lieber mehr Engagement ausländischer Unternehmer

Die Gründer und Gründerinnen haben schon vieles selbst geschafft. Vor allem Jobs für die zahlreichen gut ausgebildeten Palästinenser und Palästinenserinnen. Aber wenn deutsche Unternehmer noch stärker einsteigen würden, könnten noch mehr Probleme an der Wurzel gepackt werden. Denn ihr Engagement könnte der ganzen palästinensischen Wirtschaft wirkungsvoller aus der Krise helfen als Entwicklungsgelder. Und ein in sich stabiler palästinensischer Markt könnte wiederum der ganzen Region zugute kommen und vor allem Hoffnung wecken.

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