Hebrons erste Taxifahrerin

Nadia Sayyed Ahmad tut in Hebron, was für Frauen verpönt ist. Sie lenkt ein Taxi und will sogar ihr eigenes Unternehmen gründen. Das stinkt nicht nur vielen Männern, auch die Behörden lassen sich extrem viel Zeit.

 Sie ist Muslimin und trägt ein Kopftuch. Doch das hindert sie nicht daran, am Steuer eines gelben Taxis zu sitzen und Fahrgäste auf Hebrons Straßen zu chauffieren. Vor knapp drei Jahren legte Ahmad die Prüfung als Taxifahrerin ab. Ihre Arbeit gefällt ihr so gut, dass sie ein eigenes Taxigeschäft aufbauen will. Die Idee: Sie wird nur Fahrerinnen anstellen und zudem nur Frauen in ihren Taxis befördern. Männer bleiben außen vor. Und das mit gutem Grund.

„Viele Frauen fühlen sich noch immer in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Das muss sich ändern. Deshalb möchte ich, dass Frauen jederzeit per Telefon ein Taxi bestellen können. Sogar in der Nacht“, erzählt sie. Auch das lästige Stehen am Straßenrand, um ein Taxi herbeizuwinken, oder die langen und unangenehmen Wartezeiten möchte sie Frauen künftig ersparen. Die klassischen Sammeltaxis zum Beispiel fahren erst los, wenn alle Sitzplätze belegt sind.

Frauen-Taxiflotte

Neongrün sollen ihre Fahrzeuge werden. Aber nicht nur farblich will sie sich mit ihrer Frauen-Taxiflotte von der männlichen Konkurrenz abheben. „Meine Taxis werden mit Kindersitzen ausgestattet, auch wenn das gesetzlich nicht vorgeschrieben ist“, sagt sie. Eine Äußerung, die viel über den Charakter der 49-Jährigen verrät.

So eigenwillig und unkonventionell wie heute, war Ahmad schon als Jugendliche. Früher beobachtete sie leidenschaftlich gerne ihre Cousins dabei, wie diese stundenlang an Autos und Motoren herumbastelten. Das machte sie neugierig. Aber sie traute sich nie, sich einzumischen oder Fragen zu stellen. Ihr Faible für Autos blieb nicht nur, es wurde ein Geschäft daraus. Die Begeisterung fürs Taxifahren hat sich inzwischen auch auf ihre Tochter übertragen.

Palästinensische Bürokratie

Bislang erlauben die Behörden Ahmad nicht, ihr eigenes Taxigeschäft zu eröffnen. Bis dahin könnte es noch ein langer Weg werden. Denn die palästinensische Bürokratie gilt gemeinhin als kompliziert und schwerfällig. Selbst dann, wenn aus einer Geschäftsidee Arbeitsplätze entstehen könnten. So gesehen, braucht sie außer einer Lizenz auch sehr viel Geduld.

Männerdomäne Taxifahren

Moralische Unterstützung bekommt sie indessen von ihrem Ehemann, einem Professor für Informationstechnologie. Er findet ihre Geschäftsidee gut. Als sie anfing, Taxi zu fahren, hatte sie es in dieser männerdominierten Branche nicht leicht. Die Lästereien der Kollegen, aber auch die ihrer Verwandten, zehrten so sehr an ihren Nerven, dass sie ihren Job kurzfristig hinschmiss. Ihr Mann jedoch ermunterte sie, ihn wieder aufzunehmen.

Nicht alle berufstätigen Ehefrauen erfahren so viel Unterstützung von ihren Ehemännern wie Ahmad. Fünf weitere Frauen, die ihrem Beispiel folgten und ebenfalls eine Ausbildung zur Taxifahrerin absolvierten, gaben ihren Beruf auf. Der Druck war zu groß für sie.

Ahmad fährt gerne Auto. Dass sie irgendwann einmal als Taxifahrerin ihr Geld verdienen würde, davon hatte sie nie zu träumen gewagt.

Noch sind es wenige Palästinenserinnen, die ihren Beruf nach ihren Vorlieben aussuchen können. Und noch weniger dringen in eine Männerdomäne vor. Außerdem haben Frauen es noch immer ungleich schwerer als ihre Kollegen, überhaupt eine Arbeit zu finden.

Auch wenn die Behörden ihre Berufspläne durchkreuzen sollten, für ihre Geschlechtsgenossinnen hat Nadia Sayyed Ahmad eine Tür in eine neue Berufswelt geöffnet.

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